Nepp in der Modeindustrie - lieber Prostituierte als Textilarbeiterin

27.10.2014 14:11

Kambodschas Regierung holt Prostituierte von der Straße und schult sie zu Textilarbeiterinnen um. In den Fabriken ist die „Ausschlachtung“ der Frauen jedoch fast noch schlimmer.

"Tausende Frauen arbeiten als Prostituierte in Kambodscha – sie sprechen Touristen auf der Straße an, locken sie in Massagestudios, trinken mit ihnen und verkaufen ihnen ihre Körper. Wie Menschenrechtsorganisationen bezeugen, sind viele dieser Frauen Opfer von Menschenhandel, oftmals Minderjährige, die zur Prostitution gezwungen werden. Um gegen diese Missstände vorzugehen, zahlt die US-Regierung der kambodschanischen Regierung 600 Millionen US-Dollar jährlich für den Kampf gegen Menschenhandel und Prostitution. Im Jahr 2008 reagierte Kambodschas Regierung auf diese Zahlungen mit einer Kampagne gegen Menschenhandel. Diese Kampagne, die Frauen von der Straße holt, tut jedoch mehr Schlechtes als Gutes."

Mit diesen Sätzen beginnt die Dokumentation des Medienunternehmens Vice News, die Licht ins Schicksal kambodschanischer Arbeiterinnen bringen will. Vice-Gründer Suroosh Alvi ist mit einem Filmteam in Kambodschas Hauptstadt Phnom Penh gereist, um Frauen zu treffen, die früher als Prostituierte gearbeitet haben. Heute sind sie Näherinnen in Textilfabriken, in denen Konzerne wie H&M, C&A und der Zara-Mutterkonzern Inditex produzieren lassen.

Denn das ist der Wandel, der vielen Frauen von der kambodschanischen Regierung aufgezwungen worden ist: Prostituierte wurden von Mitarbeitern des kambodschanischen Innenministeriums gewaltsam aus Bordellen geholt und zu einem "Umerziehungstraining" gezwungen. Die Frauen standen vor der Wahl, entweder das Training zu akzeptieren oder in Dauerarrest zu bleiben. Nach dieser "Umerziehung" wurden die ehemaligen Prostituierten als Arbeiterinnen in Textilfabriken angestellt. Auf den ersten Blick mag es wirken, als hätte das Programm den Frauen ein besseres Leben gebracht – die Gespräche mit den betroffenen Frauen zeigen jedoch, dass sie wünschten, man hätte ihnen nicht auf diese Weise "geholfen".

 Vice News dokumentiert die Realität in den Textilfabriken, in denen mehr als eine halbe Million Menschen arbeiten. Die Arbeiterinnen sind für Kambodschas größten Industriezweig und für 80 Prozent des kambodschanischen Exports verantwortlich. Die geretteten Sex-Arbeiterinnen erhalten in den Textilfabriken im Durchschnitt 80 US-Dollar Lohn im Monat. Das entspricht dem Mindestlohn in Kambodscha – und reicht nicht aus, um eine Familie satt zu bekommen und die Miete für eine Hütte oder ein Zimmer in einem kahlen Arbeiterwohnheim zu zahlen.

Viele der betroffenen Frauen leiden so sehr unter ihrer Armut, dass sie nachts wieder illegal als Prostituierte arbeiten.

Am 13. Oktober 2014 protestierten kambodschanische Textilarbeiterinnen vor den Fabriken in Phnom Penh für einen höheren Lohn. Bereits 2013 hatten Regierung und Gewerkschaften eine Anhebung des Mindestlohnes auf 160 US-Dollar vereinbart. Allerdings sollte die Änderung nicht sofort, sondern erst bis 2018 umgesetzt werden – und bislang ist nichts geschehen. Jetzt verspricht die Regierung als Reaktion auf die Proteste erneut höhere Löhne. Gleichzeitig argumentiert sie aber auch, unterstützt durch den Verband der Textilindustrie, dass zu hohe Löhne den Wettbewerbsvorteil gegenüber Vietnam und China gefährdeten.

 

 

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